Wie sich ein Südtiroler Dorf gegen Pestizide wehrt
Regisseur Alexander Schiebel dokumentiert das „Wunder von Mals“
Heldin des Wunders ist die Gemeinde Mals im Vinschgau. Ihre Einwohner wehrten sich gegen die intensive Südtiroler Landwirtschaft. Die Pestizide, welche die Apfelbauern auf ihre hochsubventionierten Monokulturen aufbringen, entsprechen einem Vielfachen des durchschnittlichen Verbrauchs in Italien. Mals engagierte sich für eine Volksabstimmung, in der verhandelt werden sollte, ob die Ausbringung von Pestiziden in der Gemeinde verboten wird. Der Erfolg war phänomenal: 76 % der Malser sprachen sich im Herbst 2014 für das Verbot aus.
Ende gut, alles gut? Ganz im Gegenteil. Dieses bürgerliche Engagement war der Anfang eines Jahre währenden Ringens zwischen der Dorfgemeinde und Vertretern von Landesregierung und Bauernbund. Um einen Präzedenzfall zu vermeiden erzeugten die politischen Vertreter großen Druck. Eindrücklich schilderte Alexander Schiebel den Einsatz der Bürger für ihren demokratischen Entscheid und die Bekämpfung durch die Behörden, einem juristischen Kreuzfeuer, aber auch Einschüchterungen bis hin zu Glyphosat-Attacken auf die Obstbäume eines Bio-Bauern.
„Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
Die Malser haben inzwischen eine Verordnung. Ob sie sich mit ihrer basisdemokratischen Entscheidung endgültig durchsetzen können, bleibt nach wie vor offen. Die Entschlossenheit und den Erfindungsreichtum der Malser zeigte Alexander Schiebel anschaulich in Filmausschnitten seines „Wunders von Mals“. Etwa die Aktion mit Straßenschildern wie „Sie verlassen die pestizidfreie Zone.“ und „In 10 Metern Schutzmasken.“ 21 Malser radelten in Schutzkleidung durch die weiten Apfelanlagen – eine kleine Gruppe gut gelaunter, engagierter Menschen nur, aber sie dominierten die Südtiroler Presse mit der Aktion eine ganze Woche lang.
„Man hat den Eindruck, dass Demokratie besonders gut funktioniert, wenn wir uns kennen.“
Als Teil dieser Kunst, das Anliegen der Bürger als Geschichte zu erzählen, sieht Alexander Schiebel seinen eigenen Film – als dramaturgisches Mittel, der Bürgerbeteiligung über öffentliche Wahrnehmung zu ihrem Recht zu verhelfen. Ein provokantes Musterbeispiel für „Storytelling“ und ein streitbarer Lehrfilm für Bürgerbeteiligung.
Am Ende las Alexander Schiebel eine Messenger-Nachricht vor, die er erst am selben Tag erhalten hatte. Ein Wunder sei in Südtirol geschehen, schrieb ihm eine Freundin: Plötzlich sei Bio-Landwirtschaft in aller Munde. Ein Umdenken findet statt, das Wunder von Mals wächst weiter.