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Yoga, Essen & Freiheit


Welchen Einfluss unsere Nahrung aus yogischer Sicht auf unser Wohlbefinden hat
[02/18] 2,6 Millionen Menschen mindestens üben allein in Deutschland Yoga. Das sind ungefähr doppelt so viele wie Menschen, die vegan leben*. Für viele beginnt der Yoga-Weg auf der körperlichen, eher sportlicheren Ebene. Mit all seinen Facetten von Philosophie bis Meditation ist Yoga allerdings weit mehr als nur eine gute Praxis für die körperliche Stärke und Fitness.

Welche Rolle die Ernährung hierbei spielt, hat die Yoga-Lehrerin und Autorin Stephanie Schönberger recherchiert. In Interviews mit bekannten deutschen Yoga-Lehrenden hat sie herausgefunden, was Essen, Yoga und Freiheit miteinander zu tun haben.

Yoga & Ernährung in aller Kürze:

 
  • Pur & einfach:
    je weniger verarbeitet und je reiner die Lebensmittel, desto klarer und freier der Geist
     
  • Tier(leid)frei:
    Gewaltfreiheit als yogischer Grundsatz legt eine vegetarische und/oder vegane Lebensweise nahe
     
  • Bio & fair:
    Wertschätzung für die Natur und andere Menschen sowie ein bewusster Umgang mit sich selbst und anderen beeinflussen das Kauf- und Ernährungsverhalten
Justina Wilhelm, Tochter der Rapunzel Gründer Jennifer Vermeulen und Joseph Wilhelm

Justina Wilhelm, zweifache Mutter und Tochter der Rapunzel Gründer:

„Eine vollwertige, naturbelassene Bio-Ernährung & Yoga haben viel miteinander zu tun. Beides trägt für mich zu einer gesunden Lebensweise bei – nicht nur während der Schwangerschaft.”

Stephanie Schönberger

arbeitet als Yoga-Lehrerin, Autorin (ehemals Ressortleitung bei JOY), Karma-Beraterin und Taxi-Fahrerin ihrer Kinder im Allgäu. Ihr jüngstes Buch „Das Karma, meine Familie und ich. Yoga-Philosophie für einen entspannteren Alltag“ stieg hoch in den entsprechenden Bestsellerlisten ein.

Im Yoga erstrebter Zustand: Dynamische Stille


Auf dem Weg in die Freiheit spielt die Ernährung eine wichtige Rolle. Und darum achten Menschen, die ernsthaft Yoga üben, meistens sehr genau darauf, was sie zu sich nehmen.

Denn das ursprüngliche Ziel von Yoga ist nicht der schönste Kopfstand, der 108. Sonnengruß oder die perfekte Kriegerhaltung, sondern: „Freiheit“, wie Dr. Patrick Broome, Deutschlands bekanntester Yoga-Lehrer und Yogi der Fußballnationalmannschaft, sagt. Freiheit von allem, was uns unglücklich und krank macht, was uns aus dem Gleichgewicht bringt, unsere Gedanken unnötig beschäftigt, unsere Emotionen dauerhaft aufwühlt, uns unbeweglich macht auf körperlicher, mentaler und geistiger Ebene – was uns von dem im Yoga erstrebten Zustand „dynamischer Stille der geistigen und emotionalen Bewegungen“ abhält.
 

Von der Wirkung der Nahrung auf den Geist


Hierfür spielte Ernährung schon vor gut 3000 Jahren bei den Yogis eine wichtige Rolle. Sie wussten, dass das, was sie zu sich nehmen, Einfluss auf ihren Gemütszustand, Gedankenstrom und ihre Gesundheit hat. „Die Wirkung unserer Ernährung auf unseren Geist wird oft unterschätzt“, betont der Ulmer Sportmediziner und Ashtanga-Lehrer Dr. Ronald Steiner. Bei manchen Nahrungsmitteln, wie etwa Kaffee oder Alkohol, sei das offenbar. „Bei anderen Nahrungsmitteln, wie Gewürzen oder Grundnahrungsmitteln, ist der Zusammenhang dagegen subtiler. Da Körper und Geist untrennbar miteinander verbunden sind, wirkt Nahrung immer auf beide zugleich.“
Foto: Christian Krinninger
Gabriela Bozic, Mitbegründerin und Leiterin der Jivamukti-Yogastudios in München
Gabriela Bozic, Mitbegründerin und Leiterin der Jivamukti-Yogastudios in München
Im Denken der Yogis ist Nahrung auch eng mit Prana verbunden. Prana – die universelle Lebensenergie – lässt sich mit dem Chi aus der Traditionellen Chinesischen Medizin vergleichen und hat große Bedeutung für den Geist: Je kräftiger und konzentrierter Prana, desto konzentrierter und klarer ist auch der Geist. Für die Qualität von Prana ist wiederum die Nahrung mitbestimmend. „Wenn ich mich nicht ausgeglichen ernähre, dann kann ich noch so lange meditieren und komme nicht zur Ruhe“, sagt Madhavi Guemos, Autorin von „Makrobiotik – In Fülle leben“, Bloggerin sowie Yoga- und Meditationslehrerin aus Berlin.
Aus diesen Gründen bevorzugen Yogis bestimmte Nahrungsmittel – und zwar „sattvisches“ Essen, was so viel wie „rein“ und „einfach“ bedeutet, angefüllt mit Prana. Sattvische Ernährung sei sanft, wohlschmeckend, bekömmlich, reichhaltig, aber nicht zu viel, erklärt die Berlinerin Anna Trökes, Buchautorin, Ayurveda- Expertin und eine Art „Grande Dame“ des deutschen Yoga. Die international bekannte Jivamukti-Lehrerin Gabriela Bozic sagt, sattvische Ernährung sei für sie vollwertig, genussvoll, so frisch und naturbelassen wie möglich, gewaltfrei, Körper und Seele nährend, mache nicht zu müde und gebe genügend Kraft, „um unser Leben positiv zu gestalten“.

Anna Trökes, Yoga-Lehrerin seit 1974 und Autorin von mehr als 20 Fach-Publikationen


„Für viele Yoga-Übende heute ist eine lakto-vegetable Ernährung empfehlenswert – am besten mit Ghee, weil es entgiftend wirkt und sich schmeichelnd um die Nerven legt. Das ist für die Atemübungen, die das Nervensystem ansprechen, wichtig.”
Die im Mittelalter entstandene Schrift „Hatha Yoga Pradipika“ listet auf, welche Lebensmittel dem Yoga-Übenden dagegen nicht gut tun, ihn eher aufwühlen und unruhig machen. Neben Fleisch, Fisch oder Knoblauch sind darunter auch grüne, schwer verdauliche Gemüse, Öl oder Joghurt.
 

Wandel durch heutigen Alltag


„Das konterkariert natürlich manches, was man heute über Ernährung liest“, bestätigt Anna Trökes. Die Anweisungen der Hatha Yoga Pradipika seien allerdings auch für Übende bestimmt gewesen, die sich aus dem Alltagsleben genommen und sich ganz dem Praktizieren von Yoga-Haltungen, Atemübungen und Meditation verschrieben haben.
Dr. Ronald Steiner ist so ein Mensch. Er übt täglich intensiv mit dem Körper, Atem und dem Geist. An die alten Regeln hält er sich trotzdem nicht strikt. Er ernährt sich vegan, weil ihn das „sofort flexibler und auch geistig klarer“ mache.

Eine vegane Ernährung schenkt aber nicht automatisch die gewünschte Kraft und Energie. So hat er experimentiert, bis er fand, was zu seinem Körper und seiner Übungspraxis passt. Das Resultat: Eine auf reichlich frischen und natürlichen Lebensmitteln basierende Ernährung. Keimlinge, nur leicht angekeimte Saaten und Hülsenfrüchte sowie eingeweichte Nüsse spielen bei ihm eine wesentliche Rolle. „Ich liebe auch Trockenfrüchte wie Feigen, Datteln, Ananas, Banane, Cranberries“, erzählt Steiner. Kokosöl und Nussmus geben ihm dazu viel Energie. Mit dieser Ernährung fühle er sich an den meisten Tagen „stark und weich“ zugleich.
Für 90 Prozent der Menschen, die heute Yoga üben, gelten die jahrhundertealten Ernährungs­vorschriften nur bedingt, sagt Anna Trökes. Sie empfiehlt eine lakto-vegetable Ernährung, die Ghee beinhaltet. Das in traditionellem Siedeverfahren geklärte Butterreinfett „nimmt Schlacken“, wirke also entgiftend und „legt sich schmeichelnd um die Nerven“, was für die Atemübungen, die das Nervensystem ansprechen, wichtig sei.
 

Toleranz wichtiger als Dogmen


Eine typisch yogische Ernährung gibt es für Patrick Broome nicht. Die Idee der Gewaltfreiheit aus der Yoga-Philosophie hat aber große Bedeutung für ihn bei der Wahl der Lebensmittel und ist ausschlag­gebend für seinen Verzicht auf Fleisch. „In den alten yogischen Schriften finden wir viele Hinweise, dass ein Yogi möglichst gewaltfrei und liebevoll mit seiner Umwelt harmonieren sollte.“ Für den Münchner widerspricht die Ausbeutung anderer Lebewesen diesem Ansatz.
 

Mit Bio-Ziegenkäse durch die Schwangerschaft


Außerdem geht es für Patrick Broome im Yoga generell „um Toleranz, Großzügigkeit und Offenheit. Das lässt sich für mich nicht mit Dogmatismus vereinbaren.“ Seinen zwei Kindern würde er auswärts darum auch kein Schnitzel verbieten, daheim aber auch nicht kochen. Auch Madhavi Guemoes findet, dass jeder für sich herausfinden sollte, was ihm gut tue – ebenso wie Ronald Steiner, der sogar empfiehlt: "Folge Deinem Verlangen!"

Manchmal fallen dann auch alte Prinzipien über Bord. So wie bei Gabriela Bozic, Mutter eines kleinen Sohnes: Jahrelang lebte sie vegan. Während ihrer Schwangerschaft aß sie zwar mehr Mandelund Cashewmus, Oliven-, Kokosöl und Nüsse, aber auch ab und an Bio-Butter und Bio-Ziegenkäse. Auch das ist Freiheit.

*Quellen: ProVeg International spricht auf www.vebu.de von 1,3 Millionen Veganern in Deutschland 2016. Die GfK hat 2014 im Auftrag des Berufsverbandes der Yogalehrenden in Deutschland e. V. die Studie "Yoga in Zahlen" herausgegeben und darin die Zahl von 2,6 Millionen Yoga-Übenden veröffentlicht.

 


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